Hamburger Gipfel-Event vereint Wissenschaft, Praxis und Politik
Rückschau auf Konferenz am 14. November 2023 in Hamburg
Es bewegt sich einiges am Sustainable-Finance-Standort Hamburg. Zu einem ähnlichen Schluss dürften auch die rund 140 Konferenzteilnehmer:innen gekommen sein, die am 14.11.2023 den Weg in die Hamburger Handwerkskammer gefunden hatten. Dort fand die Konferenz „Nachhaltigkeitsberichterstattung und Impact: Regulierung, Messung, Wirkung“ statt, die federführend von der Sustainable Finance Research Group der Universität Hamburg organisiert und in Kooperation mit der Wissenschaftsplattform Sustainable Finance, dem Verbundsprojekt Sustainable Finance & Climate Protection und der Initiative Finance City Hamburg durchgeführt wurde. Die Veranstaltung war Teil des mehrwöchigen Programms des 7. Sustainable Finance Gipfels des Green and Sustainable Finance Cluster Germany (GSFCG).
„Unser Ziel ist relevante Forschung für Stakeholder in Politik und Praxis“, betonte Alexander Bassen (Universität Hamburg) als Vertreter der gastgebenden Wissenschaft in seinem Begrüßungsstatement. Passend dazu verkündete GSCFG-Geschäftsführer und Sustainable-Finance-Gipfel Schirmherr Michael Schmidt in seinem Grußwort die Absicht, künftig noch enger mit der Wissenschaftsplattform Sustainable Finance zusammenarbeiten zu wollen. Die Kooperation zwischen Cluster und Wissenschaftsplattform wurde jüngst in einem Memorandum of Understanding formalisiert und zielt darauf ab, die Theorie-Praxis-Brücke im Bereich Sustainable Finance weiter zu stärken.
Impact-Thema kommt voran
Trotz Fortschritten sieht Timo Busch (Universität Hamburg) nach wie vor großen Diskussionsbedarf beim Thema Impact nachhaltiger Anlageprodukte. Im ersten wissenschaftlichen Vortrag des Tages zeigte er anhand verschiedener Beispiele auf, dass sich bei der Definition unterschiedlicher Impact-Kategorien ein einheitliches Verständnis durchgesetzt hat. Das entscheidende Kriterium ist dabei, ob eine Investition eine unmittelbare Nachhaltigkeitswirkung hat („investor impact“). Ist dies der Fall, spricht man von Impact-generierenden Investements; falls nicht, wird der Bergiff „impact-aligned“ verwendet. Selbst die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) verweist auf diese Differenzierung mit der Terminologie „buying impact“ und „creating impact“. Jedoch fehle es in vielen Nachhaltigkeitsdimensionen nach wie vor an einheitlichen Maßstäben zur quantitativen Messung von Impact, etwa im Bereich Biodiversität. Den Stand seiner Beobachtungen hat Busch gemeinsam mit Forscherkollegen in einem White Paper zusammengefasst.
Eine weitere Möglichkeit für Investor:innen, die Nachhaltigkeitsleistung ihrer Portfolio-Unternehmen zu verbessern, bieten koordinierte Engagement-Maßnahmen. Michael Schmidt (GSFCG) ging in seinem Vortrag auf verschiedene Möglichkeiten des „Collaborative Engagement“ ein und zeigte auf, dass dieses auch jenseits von Aktionärshauptversammlungen stattfinden kann und idealerweise in einem kontinuierlichen Dialog auf unterschiedlichen Unternehmensebenen mündet.
In den letzten beiden Input-Vorträgen des Vormittags ging es um Erwartungen. Christian Klein (Universität Kassel) berichtete über Erkenntnisse aus seiner Forschung zum nachhaltigen Anlageverhalten von Privatkund:innen. So beobachtet er unter anderem, dass die Mehrheit der in nachhaltigen Finanzprodukten investierten Kleinanleger:innen davon ausgeht, durch ihre Entscheidung für ein nachhaltiges Finanzprodukt einen messbaren Beitrag zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen zu leisten („impact generating“). Zum Abschluss des ersten Teils der Veranstaltung vermittelte Marcus Küster (HAUCK AUFHÄUSER LAMPE PRIVATBANK) ein Stimmungsbild aus dem Kundensegment der Stiftungen und Hochvermögenden.
Neue Anforderungen an Offenlegung und Transparenz
Nachdem der Fokus im ersten Teil der Veranstaltung auf der Nachhaltigkeitswirkung verschiedener Anlageklassen und den damit verknüpften Erwartungen unterschiedlicher Investorengruppen lag, standen nach der Mittagspause erst einmal Offenlegungs- und Berichtspflichten für Unternehmen in der Finanz- und Realwirtschaft im Mittelpunkt. Gerade Banken stehen momentan vor der Herausforderung, verschiedenen regulatorischen Neuerungen gleichzeitig gerecht werden zu müssen. Um den erhofften Beitrag zu einer erfolgreichen Transformation leisten zu können, müsse der größtenteils auf EU-Ebene vorgegebene regulatorische Rahmen das Kriterium der Kohärenz erfüllen, unterstrich Torsten Jäger (Bundesverband der deutschen Banken) in seiner Keynote.
Profitieren könnten die Banken schon bald von einer weitaus besseren Verfügbarkeit von einheitlichen Nachhaltigkeitsdaten. Im Zuge der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) werden schrittweise mehr und mehr in der EU aktive Unternehmen dazu verpflichtet, gemäß der europäischen Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) relevante Daten zu erheben und offenzulegen. Mit Kerstin Lopatta (Universität Hamburg), Simon Braaksma (Royal Phillips N.V.) und Allesandro d’Eri (ESMA) diskutierten gleich drei unmittelbar in die Konzeption der Standards involvierte EFRAG-Mitglieder über das Potenzial des neuen EU-Rahmenwerks. Alle Drei zeigten sich optimistisch, dass die Standards – trotz der an vielen Stellen als erhebliche Schwächung wahrgenommenen Materialitätsanalyse – die notwendige Schlagkraft entfalten können.
Viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind schon jetzt von den neuen EU-Regelungen betroffen, auch wenn sie selbst noch nicht zur Berichterstattung verpflichtet sind. Lieferketten und Kundenbeziehungen sorgen dafür, dass viele KMU bereits jetzt Nachhaltigkeitsdaten erheben und zur Verfügung stellen müssen. Auch wenn das eine erhebliche Herausforderung darstelle, zeigten Kati Beiersdorf (DRSC), Michaela Ölschläger (Handelskammer Hamburg), Alexander Bassen (Universität Hamburg) und Teresa Haller-Mangold (Nexperia) in der zweiten Diskussionsrunde des Nachmittags auf, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit auch Chancen für die Unternehmen eröffne. Trotz angespannter konjunktureller Lage gelänge es nun vor allem den Unternehmen, die sich frühzeitig mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandergesetzt haben, sich erfolgreich in einem Wettbewerb mit gestiegenen regulatorischen Anforderungen zu positionieren.
Anlagemarkt: Welche Informationen helfen wirklich?
Nachdem die Frage nach der Erzeugung von Nachhaltigkeitsdaten aus vielfältigen Perspektiven beleuchtet wurde, widmete sich die abschließende von Jan Schulte (Tagesspiegel Background Sustainable Finance) moderierte Panel-Diskussion der Frage, welchen Nutzen verschiedene Investorengruppen aus einer erhöhten Transparenz ziehen könnten. Nach Impuls-Statements der vier Panelist:innen Georg Schürmann (Triodos Bank), Jegor Tokarevich (Substance Over Form), Roland Kölsch (QNG/FNG-Siegel) und Nahid Ghulami (MSCI) wurde schnell deutlich, dass das Thema Nachhaltigkeit in den verschiedenen Marktsegmenten eine wichtige Rolle spiele, es aber nach wie vor schwierig ist, eine umfassende und objektive Bewertungsgrundlage zu schaffen. Schlussendlich waren sich die Diskutierenden darin einig, dass der Anspruch über eine perfekte Informationsgrundlage zu verfügen, nur schwer erfüllbar sein wird und in vielen Fällen eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der Bewertungsmethodik erforderlich ist. Dies falle institutionellen Investoren leichter, da sie auf entsprechende Ressourcen und Expertise zurückgreifen können.
Dass der Umlenkung privater Kapitalflüsse schon bald eine noch größere Bedeutung zugemessen werden könnte, weil das Bundesverfassungsgericht die Umwidmung von Coronakrediten in den Klima- und Transformationsfonds als verfassungswidrig erklärt, ahnte der Hamburger Finanzsenator Andreas Dressel in seiner Schlussbemerkung schon richtig voraus. Er lobte die Entwicklung am Sustainable-Finance-Standort Hamburg und hofft darauf, dass bald noch mehr Expert:innen die Transformation in der Hansestadt vor Ort begleiten. Auch die kommunalen Unternehmen, etwa der Hamburger Verkehrsbund, ständen vor der Herausforderung, das für den Umbau zur Klimaneutralität notwendige Kapital zu mobilisieren.
In seinem Abschiedswort bedankte sich ein sehr zufriedener Gastgeber Alexander Bassen bei sämtlichen Sprecher:innen und Co-Organisator:innen, dem diskussionsfreudigen Publikum sowie insbesondere auch bei Signal Iduna und Finance City Hamburg für die finanzielle Unterstützung der Veranstaltung. In den Diskussionen und Vorträgen zeigte sich an vielen Stellen, dass die Wissenschaft nach wie vor einen wertvollen Beitrag als Begleiterin der Transition leisten kann – insbesondere dann, wenn sie in einen regelmäßigen Austausch mit Praxis und Politik tritt.
Beteiligte
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Prof. Dr. Alexander Bassen
Universität Hamburg
E-Mail: alexander.bassen@uni-hamburg.de
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Prof. Dr. Kerstin Lopatta
Universität Hamburg
E-Mail: kerstin.lopatta@uni-hamburg.de
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